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17.11.2024

Rede der Ersten Bürgermeisterin Elisabeth Koch zum Volkstrauertag 2024

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

heute, am Volkstrauertag, halten wir inne und denken an die Vergangenheit – an die Menschen, die durch Kriege ihr Leben verloren haben, und an diejenigen, die um sie trauern. Wir erinnern uns an die Schicksale der unzähligen Soldaten, die in den beiden Weltkriegen gefallen sind, an die Soldaten der Bundeswehr, die im Einsatz ihr Leben lassen mussten, an die Zivilbevölkerung, die durch Bomben und Kugeln getötet wurde, an die Väter, Mütter, Kinder, die für immer voneinander getrennt wurden. Wir erinnern wir uns an die verlorenen Söhne und Töchter unserer Garmisch-Partenkirchner Familien, die in den Weltkriegen und an den Kriegschauplätzen dieser Welt  für immer von uns gegangen sind. Sie kämpften und fielen in fremden Ländern, in Schützengräben, oft unter unmenschlichen Bedingungen – vermeintlich für ein großes Ziel. Für ihre Eltern, die daheimblieben, wurde die Zukunft ohne sie plötzlich dunkel, leer und sinnlos.

Bis vor wenigen Jahren durften wir noch glauben, die Wunden dieser Kriege wären endgültig verheilt, durften wir glauben, dass die Geißel des Krieges in Europa im 21. Jahrhundert endgültig überwunden sei. Doch leider weit gefehlt – die Ereignisse der letzten Jahre haben uns eines Besseren belehrt. Ein brutaler Krieg, mitten in unserem Europa, erschüttert seit zwei Jahren unser aller Leben. Der Konflikt in der Ukraine ist keine ferne Realität; er ist nach wie vor erschreckend nah und erinnert uns an die tiefen Spuren bewaffneter Konflikte, die auch unsere eigene Geschichte geprägt haben. Bis Anfang Oktober 2023 durften wir auch noch auf Frieden im Nahen Osten hoffen, auf eine diplomatische Lösung für den Gazastreifen und für all die Gebiete, in denen Menschen von Gewalt und Terror bedroht sind. Stattdessen müssen wir auch hier eine Eskalation der Gewalt erleben, die zeigt, wie schnell Konflikte außer Kontrolle geraten können. Und diese Konflikte sind nicht isoliert – sie sind Teil einer besorgniserregenden Weltlage: Weltweit toben derzeit über 350 bewaffnete Auseinandersetzungen (Quelle: Statista.com). Es ist eine Realität, die uns allen Sorgen bereitet und uns unbarmherzig vor die Frage stellt, wie wir für die Zukunft, für kommende Generationen das Versprechen von Frieden und Sicherheit aufrechterhalten können. Unsere heutige Gedenkfeier soll uns daran erinnern, welche Hilflosigkeit, welche Ohnmacht Kriege über die Menschen bringen.

In Deutschland sprechen wir nur sehr ungern über Tod und Trauma, denn das Unbehagen über die düstere Vergangenheit unseres Landes sitzt bei vielen von uns immer noch tief – und darum schweigen wir. Aber genau dieses Gedenken ist so immens wichtig! Der Volkstrauertag gibt uns die Gelegenheit, dieses Schweigen zu überwinden und uns bewusst zu machen, dass auch die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte zu uns gehören und dass wir sie niemals vergessen und verdrängen sollten. Denn ob wir wollen oder nicht, sie sind Teil unserer Identität, und nur durch Erinnerung und Betrachtung können wir unsere Zukunft und die Zukunft kommender Generationen so klug gestalten, dass sie uns nicht wieder in eine solche Finsternis führt. Die beiden Weltkriege liegen nun schon mehr als 80 Jahre zurück, und bald wird es niemanden mehr geben, der sich persönlich an das Grauen dieser Zeiten erinnern kann. Dennoch – auch wenn die Zeitzeugen uns verlassen – ist es unsere Pflicht, das Wissen um diese Schrecken lebendig zu halten.

Wir können das Vergangene nicht ungeschehen machen, aber wir können zumindest versuchen, sicherstellen, dass die Lehren aus diesen Kriegen in unseren Köpfen und Herzen verankert bleiben! Und für mich ganz persönlich ist das Gedenken der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft definitiv keine Floskel! Die Mahnung, die der Volkstrauertag jedes Jahr für uns alle sein sollte, wird gerade in der heutigen, so unruhigen und unkalkulierbaren Zeit immer relevanter. Denn in einer Welt, in der Diktatur und Gewalt wieder an Stärke gewinnen, ist es unsere Verantwortung, für Demokratie, Freiheit und Frieden einzutreten. Meine Damen und Herren, der Volkstrauertag ist nicht nur ein Tag der Trauer, sondern auch ein Tag der Besinnung und auch der Hoffnung.

Natürlich gedenken wir in tiefer Demut den Millionen, die ihr Leben in Kriegen verloren haben. Wir denken an die Familien, die ihre Lieben nicht zurückbekommen haben, und an die Zivilgesellschaften, deren Heimat durch Konflikte zerstört wurde. Doch wir gedenken immer auch derer, die sich dem Krieg widersetzt haben, die mutig für das Gute, für den Frieden und für die Menschlichkeit einstanden – und dafür ihr Leben gaben! Auch wir möchten hier und heute ein Zeichen für Frieden und Versöhnung setzen! Denn der Volkstrauertag darf nicht nur eine Mahnung sein, er muss uns auch daran erinnern, wie kostbar und zerbrechlich der Frieden ist, den wir so selbstverständlich genießen. In den letzten Monaten wurden wir Zeugen hitziger Diskussionen über den richtigen Umgang mit dem Krieg in der Ukraine. Doch bei all diesen Debatten dürfen wir nicht vergessen, dass echte Solidarität und Hilfe manchmal Entbehrungen verlangen, die wir bereit sein müssen zu tragen, wenn wir für das Richtige einstehen wollen.

An dieser Stelle darf ich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer zitieren mit den Worten:  „Wir können das, was geschehen ist, nicht ändern – aber es darf niemals wieder geschehen“! Der heutige Tag ist ein Appell an uns alle, die Hoffnung auf Frieden und das Einstehen für Demokratie und Recht niemals aufzugeben! Wir dürfen unser Vertrauen darauf, dass die Menschheit gemeinsam Wege finden kann, um Konflikte ohne Gewalt zu lösen, nicht verlieren. Es ist unser aller Aufgabe und moralische Pflicht – in Europa und darüber hinaus – für das Verbindende zu arbeiten und nicht für das Trennende. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, dass wir in Deutschland für Demokratie, Toleranz und Versöhnung eintreten. Unsere europäischen Nachbarn haben uns einst die Hand gereicht – ein kostbares Geschenk, das wir nie als selbstverständlich ansehen sollten und das es zu pflegen und zu erhalten gilt. Daher, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, bitte ich Sie: Lassen Sie uns heute und an jedem anderen Tag des Jahres daran denken, wie wertvoll Frieden und Freiheit sind. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Schatten der Vergangenheit nicht wieder über uns fallen und dass der Volkstrauertag nicht nur ein Tag der Erinnerung bleibt, sondern ein Tag der Hoffnung und des Engagements – für eine friedlichere Welt in der Zukunft gelingen kann!

 

Vielen Dank.

 

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