Wurzeln für die Fantasie der Zukunft
INTRO: Sie hören den Erlebnisweg EndeGAP, Station 5: Wurzeln für die Fantasie der Zukunft
TON: Konzert-Töne (Von Wilfried Hiller)
Herzlichen Glückwunsch, Sie stehen hier an einem Ort, an dem sich gleich drei magische Welten überschneiden! Musik, Theater und Literatur. Hinter Ihnen die dramatische Antike mit Richard Strauss‘ bekanntesten Opernfiguren Salome, Daphne und Elektra, rechts vor Ihnen das mit viel Herzblut geführte Kleine Theater – und vor Ihnen der Michael-Ende-Kurpark mit all seinen versteckten Anspielungen auf das Werk des großen Schriftstellers. Dort drinnen erwartet uns auf 35.000 Quadratmetern mit rund 40.000 Pflanzen eine Oase der Fantasie. Man kann Garten-Schach spielen, einen Barfußpfad entlangspazieren, sich im Kneippbecken beim alten Mühlrad abkühlen, abends Live-Musik hören oder einfach nur auf einem verwunschenen Bankerl sitzen und ein Buch lesen …
1995, nur wenige Wochen vor seinem Tod, pflanzte Michael Ende hier im Herzen von Garmisch-Partenkirchen eine Kaiserlinde als Symbol seiner Verwurzelung mit dem Heimatort. Übrigens hat die Juniordirektorin des Kleinen Theaters, Tatjana Pokorny, die Pflanzaktion damals moderiert und kann sich noch gut an ihre Begegnung mit Michael Ende erinnern. „Als großer Fan von Michael Ende war ich natürlich sehr aufgeregt, ihn nicht nur zu treffen, sondern diese Aktion auch moderieren zu dürfen. Ich fühlte sofort eine große Verbindung zu ihm.“ (Tatjana Pokorny)
Es ist eine schöne Fügung, dass der Michael Ende-Kurpark ein Theater als Nachbarn hat: Denn ursprünglich wollte Michael Ende seine Kreativität als Schauspieler auf den Bühnen dieser Welt ausleben, durchlief sogar die Ausbildung an der bekannten Münchner Falckenberg-Schule. Zum ersten Mal ins Rampenlicht trat aber trat er hier mitten im Park, bei den Bunten Abenden, die seine Schulklasse im Kurhaus inszenierte. Davon erzählt sein Mitschüler und langjähriger Freund Wolfgang Haehn in einer Originalaufnahme von 2004: „Und da hat der Michael also dann den Ritter Hadubrand, die Geschichte, gesungen. So Hadubrand, Hadubrand … und da kam ein Gespenst, nämlich, weil der Ritter Hadubrand sei Braut irgendwo zum Felsen hinuntergestürzt hat. Und dann kam in der Nacht ein Gespenst zum Ritter Hadubrand und hat immer so gesungen: Hadubrand, Hadubrand, und da erzählt er: Pfui Teufel! Und verschwand (lacht) Also solche Sachen. Die hat er hervorragend gut gekonnt. Und wir haben eine Mordsgaudi gehabt. “ Die Lehrer formulierten ihre Bewunderung damals etwas anders: „Als Schüler taugt der Ende nichts, aber in seine Bunten Abende kommen wir alle gern.“
Die Schwelle zum Erwachsensein, die überschreitet Michael Ende in Garmisch – jedenfalls theoretisch. In seinem Kopf erhält er sich die kindliche Fantasie zum Glück das ganze Leben lang. Und jetzt gehen Sie ruhig einmal hinein in diesen ganz besonderen Park! Sehen Sie nach, wie groß Michael Endes Linde im vergangenen Vierteljahrhundert gewachsen ist. Ringsherum wurde ein Rasenlabyrinth angelegt, das man nachspazieren kann. Auch das Kurhaus, in dem vor bald 80 Jahren Michael Endes Bühnen-Begeisterung begann, steht natürlich noch. Suchen Sie den tanzenden blauen Faun und gucken nach, wo sich Ritter Hadubrand versteckt! Finden Sie heraus, wo die Schildkröte Morla wohnt und welches Momos Lieblingsplatz im Amphitheater sein könnte.
Vielleicht wird es ja auch Ihrer?
Bonus: Interview mit Wolfgang Haehn
Abbildung: Michael Ende beim Pflanzen der Kaiserlinde @Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen